Regioartline zur Ausstellung in der Galerie Stampa, 2004
…Für die Serie „Weiss“ fotografiert Esther Hiepler Motive wie Plakatwände, Dächer, verhängte Baugerüste, Lastwagen oder Fenster mit schützenden Seidenpapieren. Menschliche Handlung ist als Spur stets präsent; die weissen Flächen markieren zugleich deren Gegenpol: Ruhe und Abwesenheit.
Seit 1998 legt Esther Hiepler ihren Werkkomplex „Sammlung“ an, der sich aus Fotografien, Videos und Stills zusammensetzt. Die Motive funktionieren einzeln oder als Gruppen, können immer neu geordnet werden. Die bei Stampa gehängten zwei Serien „Weiss“ und „Häuser fangen“ sind Untergruppen dieses subjektiven Archivs, wobei die Wertschätzung futuristischer und minimalistischer Tendenzen offensichtlich ist. In der Serie „Häuser fangen“ versucht Hiepler in Stills und Videos, aus dem fahrenden Zug zwischen Madrid und Andalusien die unzähligen kleinen Häuschen in der Mancha festzuhalten. Die weissen Flächen und die minimalen Kuben dieser Architektur könnte man fast als eine Zusammenarbeit von Robert Ryman und Donald Judd beschreiben. Zugleich erinnert ihre einfache Reihung an Stilleben von Giorgio Morandi – nur dass sich hier drin ganz gemütlich die Rente aufzehren liesse.
Auch der Loop „Häuser/Geäst“, aufgenommen auf der Strecke Berlin-Dresden, arbeitet mit dem Erkennungseffekt der Häuser. Hecken, Wälder und Lichtstimmungen erscheinen beinahe als Nebensache, vermitteln aber ein Gefühl für die geschwinde Fahrt und die Schönheit flüchtiger Wahrnehmung, die sonst nur Augenwinkel Platz findet. Das erinnert an die Einsicht, dass wir Landschaft nur durch Bewegung im Gehen oder im Fahren als solche in ihrer Räumlichkeit erkennen – von einem fixen Standpunkt wäre sie geradezu Staffage.
Was wir in der Ausstellung zu sehen bekommen, bietet sich nicht mit grossen und ausladenden Gesten an. Esther Hieplers Arbeiten beruhen auf stillen, konzentrierten Beobachtungen. Sie präsentiert nicht exotische Welten, sondern Ausschnitte eines Alltags. Sie richtet ihr Augenmerk auf die Poesie der unscheinbaren, abseitigen Dinge. Nach einem Besuch der Ausstellung wird man die Städte und Landschaften vorsichtiger und aufmerksamer durchwandern, auf der Suche nach diesen stillen Orten, die dem Leben auch Sinn verleihen.