Produkt

Der Löwenzahnlikör erscheint mir kostbar, da es nur 75 cl gibt. Um ­weiteren zu machen, müsste ich ein ganzes Jahr warten. Trinke ich den nun alleine, im Atelier, um auf Touren zu kommen, meine Gedanken ­anzuregen oder gar in einen Rausch zu verfallen? Oder teile ich ihn mit dem Vernissagen­publikum, wenn ich die Arbeit veröffentliche? Oder verführe ich damit ­Atelierbesucher und Besucherinnen? Vom Löwenzahnhonig gibt es immer­hin vier Gläser. Wobei eines sich bereits stetig leert, da ich damit in meiner Kaffeepause jeweils ein Brötchen bestreiche. Oder zwei, je nachdem wie gross mein Hunger und mein Bedürfnis nach Süssem ist. Damit komme ich zu einem weiteren Thema. Zur Vertilgung der eigenen Kunstproduktion und zur Frage, ob das Kochen und Essen von Löwenzahnhonig Kunst sein kann. Bruce Nauman sagt es so:

„Im Atelier war ich auf mich selbst gestellt. Das warf dann die grund­legende Frage auf, was ein Künstler tut, wenn er im Atelier ganz auf sich selbst gestellt ist. Ich folgerte also, dass ich ein Künstler in einem Atelier war und dass demnach alles, was ich dort tat, Kunst sein musste.“

Er lässt es aber nicht dabei, sondern macht sich weitere Gedanken:

„Was tatsächlich ablief, war, dass ich Kaffee trank und hin- und herging. Die Frage kam dann auf, wie ich diese Aktivitäten strukturieren konnte, so dass sie Kunst werden oder eine andere Art von geschlossener Einheit, die anderen Menschen zugänglich gemacht werden könnte. An diesem Punkt rückte die Kunst als Tätigkeit gegenüber der Kunst als Produkt in den Vordergrund.“

Und hiermit sind wir beim Thema des Künstlers im Atelier und seinem ­Bezug zum Publikum. Wenn ich meine ganzen Honigtöpfchen selber aufesse, drehe ich mich dann im Kreis, nur um mich selber? Bin ich gar geizig zu meinem Publikum? Irgendwie gefällt es mir auch meine Produkte sofort selbst zu verwerten. Obwohl Bruce Nauman sich die Gedanken nach der Zugänglichkeit seiner Kunst für andere Menschen macht, gibt er an ­anderer Stelle auf die Frage: „Für wen ist Ihre Kunst?“ folgende Antwort: „Sie hält mich beschäftigt.“ ¹

¹ Bruce Nauman, Interviews 1967-1988, Fundus 138, Verlag der Kunst, 1996, Amsterdam

veröffentlicht in: Produkte und Prozesse – Heft Nr. 1 – Im Atelier, Vexer Verlag, 2017